Ein Interview mit Nunatak-Beirat Emilio Galli Zugaro
Herr Galli-Zugaro, Sie haben es in eine Reportage der Welt am Sonntag über das Metal-Festival Wacken und seine Initiatoren geschafft. Thomas Jensen und Holger Hübner haben Sie dort als Inspirationsquelle bezeichnet. Woher kennen Sie sich?
EMILIO GALLI-ZUGARO: Wir haben uns vor Jahren bei einer Konferenz kennengelernt, kamen sehr gut ins Gespräch – über Strategiethemen und Nudelsoße.
Nudelsoße?
Ja, ich hab ihnen im Nachgang noch mein Carbonara-Rezept geschickt. Seit damals sind wir in Kontakt. Wacken befand sich da schon auf dem Weg von der Selfmade-Gründung zu einem strukturierten Unternehmen. Umso mehr freut es mich, dass sie meine Impulse und die Gespräche offenbar als irgendwie brauchbar wahrgenommen haben.
Sie sind Beirat bei Nunatak. Was kann Wacken von Ihnen oder von Nunatak lernen?
Ich würde die Frage umdrehen. Was kann Nunatak von Wacken lernen? Wirtschaftsunternehmen tun gut daran, sich gegenüber anderen Akteuren zu öffnen, um von ihnen zu lernen. 150 Jahre lang, seit Beginn der Industriellen Revolution, war unsere Gesellschaft von der Hegemonie der Wirtschaft geprägt – die ökonomischen Imperative gaben vor, was richtig und falsch war. Entsprechend wenig hat die Wirtschaft über den Tellerrand geguckt. Doch die Verhältnisse ändern sich – man muss sich nur mal anschauen, wofür in den vergangenen zehn Jahren Wirtschaftsnobelpreise verliehen worden sind. Da waren einige Arbeiten dabei, die sich eher Gerechtigkeitsfragen oder sozialen und ökologischen Problemen gewidmet haben. Es ist an der Zeit, dass Unternehmen erkennen, was sie von anderen Bereichen der Gesellschaft lernen können.
Was heißt das in Bezug auf Wacken?
Wacken ist ein sehr gutes Beispiel für eine Erfolgsstory, die entstanden ist fern von klassischen ökonomischen Imperativen. Ich sehe vier Punkte, die Unternehmen daraus lernen können:
Erstens das Bedürfnis der Sinnhaftigkeit. Der „Purpose“, mit dem die Gründer von Wacken angetreten sind, war es, geile Musik zu präsentieren und Menschen glücklich zu machen. Sinnhaftigkeit schafft Zufriedenheit bei den eigenen Mitarbeitern, ich würde sogar sagen, sie ist heute fundamental für unternehmerischen Erfolg. Umso bedenklicher, wie viele Unternehmen sich schwer tun, ihren Purpose zu definieren.
Punkt zwei ist der starke Stakeholder-Fokus: Jensen und Hübner haben sich zum Beispiel von Beginn an um lokale Akzeptanz und sogar Verankerung für ihr Festival bemüht. Wacken ist ein 1.900-Seelen-Ort und da kommen jedes Jahr 70.000 Metal-Fans. Dass das gut geht, ist nicht selbstverständlich, aber die Bewohner haben dank der Integrationsarbeit der Gründer unglaublich viel Toleranz entwickelt.
Der dritte Punkt ist die Offenheit für Neues. Viele Führungskräfte machen einfach „more of the same“, wenn es einmal scheinbar läuft – und verlieren dabei den Blick darauf, wie sich die Welt draußen verändert. Jensen und Hübner hingegen erfinden sich und ihre Marke ständig neu.
Vierter Punkt, den Unternehmen von Wacken lernen können, und das werdet Ihr bei Nunatak nicht so gerne hören: Berater-Skepsis.
Durchaus zutreffend…
Es ist aber wichtig. „Ein Berater ist in meinen Augen jemand, der gern fette Kostennoten schreibt, selbst aber nicht in der Verantwortung stehen will“, hat Hübner einmal in Brandeins gesagt. Das sollte allen Beratern zu denken geben. Erfolg wird in der Branche nur haben, wer in erster Linie an den Kunden denkt und ihm das auch immer wieder zeigt. Zum Glück ist Nunatak darin ziemlich stark.
Das beruhigt uns jetzt… Und einmal versuchen wir es noch: Kann Wacken auch etwas von Nunatak lernen?
Nunatak beherrscht – wie angedeutet – etwas besonders gut: dass es ganz wichtig ist, individuell auf Kunden einzugehen. Das beginnt damit, dass es keine Präsentationen nach Schema F gibt, dass man jedem Kunden sehr genau zuhört und versucht, auf seinen Stärken aufzusetzen. Denn Stärken auszubauen ist viel effektiver und für den Kunden motivierender, als nur an Schwächen zu arbeiten.
Thema Stärken: Wie sehen Sie die Perspektiven für das Wacken Festival?
Sehr vielversprechend, weil Thomas Jensen und Holger Hübner konsequent die Sinnhaftigkeit im Blick haben und weil sie verstehen, was es wirklich braucht, um zu wachsen: Sie haben sogar 8.000 km Glasfaser in Wacken verlegt, damit die Musikfans auch alle gleichzeitig ihre Videos bei Instagram hochladen können. So ist Wacken der „digitalste Acker in Deutschland“, wie die NYT einmal schrieb – und sie bekommen kostenlose Werbung über 70.000 Accounts.
Die wichtigste Frage zum Schluss: Was war eigentlich so besonders an Ihrem Carbonara-Rezept?
Das ist ganz einfach: die richtigen Zutaten und das richtige Timing. Eigentlich steht alles auf diesem Zettel.
Photo by Yvette de Wit & Maxime Bhm