15.04.2020
  • COVID-19 führt in den Mobilitätsmärkten weltweit zum Einbruch der Verkaufs- und Nutzungszahlen – auch Micro-Mobility-Anbieter sind im Krisenmodus.
  • Die Anbieter reagieren mit reduziertem Betrieb oder stellen ihn gänzlich ein, schicken Mitarbeiter in Kurzarbeit oder streichen massiv Stellen.
  • Nach dem Hype und der Hoffnung auf den Durchbruch in diesem Sommer steht die Branche der E-Scooter-Anbieter vor einem Existenzkampf – Nunatak zeigt anhand von drei Szenarien den möglichen Weg nach der Krise auf.

 

Ein milder Winter und vielversprechende Wachstumszahlen aus dem letzten Jahr schürten große Erwartungen für den Micro-Mobility-Markt 2020. Ein Vierteljahr später droht jedoch das Aus für viele in der Branche tätige Unternehmen. Wie sieht die aktuelle Situation aus? Wie gehen die betroffenen Unternehmen mit der Krise um? Und wie geht es in Zukunft weiter? Ein Überblick.

Derzeit zeichnet sich ein weltweiter Einbruch des Mobilitätsmarkts ab

Weltweite Ausgangsbeschränkungen und Reiseverbote führen zu massiven Umsatzverlusten in der Mobilitätsbranche. Allein Lufthansa streicht neun von zehn Flügen, Carsharing-Unternehmen verzeichnen einen Umsatzeinbruch von mehr als 50% im Vergleich zum Vorjahr und auch die öffentlichen Verkehrsmittel beobachten einen Beförderungsrückgang von mehr als 60%.

Auch Micro-Mobility-Anbieter sind im Krisenmodus

In den meisten Metropolen zeichnet sich das gleiche Bild: Anwohner meiden E-Scooter und E-Bikes aus Angst vor mangelnder Hygiene, Touristen kommen sowieso schon lange nicht mehr. Als Konsequenz holen die Anbieter ihre E-Scooter und E-Bikes von den Straßen und stellen wie zum Beispiel Bird, Lime und Voi den Betrieb für Endkunden gänzlich ein. Nur wenige halten wie zum Beispiel Dott noch einen Minimalbetrieb aufrecht. Bei massiven Umsatzeinbrüchen und gleichzeitig weiterlaufenden Fixkosten bleibt vielen Anbietern nur noch übrig, Kurzarbeit zu beantragen oder Stellen zu streichen. Tier sichert die eigene Liquidität, indem 60% der Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt wurden. Bei Bird hingegen wurden kürzlich 30% der Belegschaft – also mehr als 400 Mitarbeiter – entlassen.

Ausbleibende Finanzierungsspritzen dramatisieren die Lage für Micro-Mobility-Anbieter

Die meisten Micro-Mobility-Anbieter sind abhängig von Risikokapitalgebern, die aktuell alle Finanzierungsrunden gestoppt haben. Das trifft vor allem Lime, die mit einer weiteren Finanzierungsrunde fest geplant hatten. Zwar verfügt Lime aktuell noch über 70 Millionen US-Dollar Reserven, jedoch zeichnet sich bereits jetzt ein Einbruch der Unternehmensbewertung um mehr als 80% ab.

Einige Anbieter setzen ein besonderes Zeichen der Solidarität

Trotzdem setzen sich einige der Micro-Mobility-Anbieter in der aktuellen Krise für das gesellschaftliche Gemeinwohl ein und nutzen die Krise für das Brandbuilding. So haben zum Beispiel Tier und Dott ein ‘Hero-Programm’ auf die Beine gestellt, bei dem Personen in systemrelevanten Berufen die Scooter kostenfrei oder vergünstigt nutzen können. Voi setzt auf eine andere Karte und gründete in Kooperation mit Gigstr “Voi it”, einen E-Scooter-Delivery-Service für Apotheken, Restaurants und Lebensmittelgeschäfte in Stockholm und Göteborg. Lime ist bisher noch mit keiner kreativen Kampagne auf dem Markt. Ob diese Programme dazu beitragen, dass der ein oder andere Anbieter während der Krise bei den Kunden nicht in Vergessenheit gerät, bleibt abzuwarten.

Große Player mit stärker diversifizierten Portfolios zeigen sich erstaunlich krisenfest

Während die meisten Unternehmen aktuell damit beschäftigt sind, Kosten einzusparen, denkt Uber bereits einen Schritt weiter und drängt mit innovativen Geschäftsmodellen auf den Markt. Dabei nutzt Uber das bestehende Netzwerk aus Fahrern und funktioniert Uber Eats kurzerhand zu einem On-Demand-Lebensmittel-Lieferdienst um. Dieser neue Service soll nicht nur über die Uber Eats App, sondern auch per Telefon angeboten werden, um ein relevantes Angebot auch für weniger digitale Nutzer zu bieten. Mit dem kürzlich gestarteten Service Uber Freight schafft es Uber, strategisch relevante Lieferketten zum Beispiel für Hilfsgüter aufrecht zu erhalten. Zudem befindet sich momentan ein neuer Service in Entwicklung, um Corona-Test-Kits auszuliefern. 

Wie verändert sich der New- & Micro-Mobility-Markt nach der Corona-Krise? Nunatak präsentiert drei Szenarien:

Szenario 1: Das goldene Zeitalter für New- & Micro-Mobility-Anbieter nach der Krise

Social-Distancing und Selbstisolation zeigen auch nach Lockerung der Beschränkungen Wirkung. Während der ÖPNV nur sehr schleppend zur Normalität zurückfindet, sehen wir eine starke Nachfrageverschiebung hin zum Individualverkehr. Straßen werden schnell heillos überfüllt sein und Einwohner von großen Ballungszentren nach Alternativen zu ÖPNV und Auto suchen – das goldene Zeitalter für New- & Micro-Mobility-Anbieter bricht an. Diese müssen nach Sparmaßnahmen und Belegschaftskürzungen einen schnellen Weg finden, Kapazitäten aufzubauen, um skalieren zu können. Aus diesem Grund fokussieren sie sich insbesondere auf die Märkte, die in der Vergangenheit besonders gut funktionierten. Nur wenige Anbieter fallen der Krise zum Opfer, durch steigende Nutzungszahlen werden wieder weitreichende Investitionsrunden sichergestellt, um das Wachstum zu finanzieren.  

Szenario 2: Die finanzstarken Anbieter werden die Gewinner sein

Diese Krise und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden nicht so schnell vorbei sein und uns noch einige Zeit begleiten. Zeit, die viele der kleinen New- & Micro-Mobility-Anbieter nicht haben. Das Geschäft war auch vor der Krise wegen der Fokussierung auf rasche Skalierung nur bedingt wirtschaftlich und die Abhängigkeit von Risikokapitalgebern hoch. Nachdem die letzten Finanzierungsrunden bei den meisten Anbietern länger als ein halbes Jahr her sind und neue Deals aktuell nicht in Aussicht stehen, fehlt es an Liquidität, um diese Phase trotz der bitteren Einsparungsmaßnahmen zu überbrücken. Selbst wenn die Nachfrage nach Individualverkehr nach der Krise steigt, werden nur diejenigen profitieren, die es nach der Krise noch gibt – die finanzstarken Anbieter werden die Gewinner sein. Dies könnten beispielsweise Uber mit dem Micro-Mobility-Angebot ‚Jump‘ und auch Lyft sein. Sie haben einerseits eine andere Dimension an Finanzpolstern und schaffen es andererseits, sich in der Krise mit kreativen Geschäftsmodellen weiterhin liquide zu halten. Nach der Krise könnten wir also statt fünf Apps für Micro Mobility nur noch eine oder zwei haben, wodurch der Markt endgültig von den Platzhirschen besetzt wäre. 

Szenario 3: Das Geschäft bricht langfristig weg – kreative Geschäftsmodelle müssen her

Die Nachfrage wird weiterhin monatelang – möglicherweise sogar jahrelang – unter dem Niveau bleiben, das vor der Krise erreicht wurde. Die Krise wird zur Normalität. Für die wenigen verbliebenen New- & Micro-Mobility-Anbieter heißt das: Ein Wandel und eine Neupositionierung mit kreativen Geschäftsmodellen muss erfolgen. Auch verstärkte Partnerschaften mit Städten sind denkbar. So könnte sich Micro Mobility vom Konkurrenten des ÖPNV zum Baustein des kommunalen Systems wandeln. 

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