Was war Dein erster Gedanke, als Du von dem Vorfall gehört hast?
Der Vorfall hat mich erst einmal etwas erschrocken. Ich ging natürlich davon aus, dass der Effekt dieses Videos keinesfalls von VW beabsichtigt war. Trotzdem erwarten Kunden natürlich zu Recht, dass solch problematische Inhalte vorher geprüft und nicht veröffentlicht werden.
Aus Deiner Erfahrung in der Beratung von Konzernen und Mittelständlern – was ist da wohl schiefgelaufen? Und was können andere aus diesen Fehlern lernen?
Die Vermutung liegt nahe, dass es Schwierigkeiten in den Freigabeprozessen und an Schnittstellen gibt. Dies ist ja keine Seltenheit, gerade in Großkonzernen. Um die Hintergründe zu verstehen, müssen wir uns zunächst einmal die komplett veränderte Kommunikationswelt der Gegenwart anschauen. Heute gibt es so viele verschiedene Kanäle und Formate, vor allem durch Social Media. Die Kunden erwarten von den Unternehmen kontinuierliche Kommunikation. Der Bedarf nach Content steigt immer mehr und erhöht den Zeitdruck. Und kundenzentriert arbeitende Unternehmen versuchen natürlich, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Ausgangslage stellt Marketing- und Kommunikationsbereiche vor enorme Herausforderungen, welche aus unserer Erfahrung nur durch agile Strukturen, mit gleichzeitig klaren Zuständigkeiten und Abstimmungsprozessen bewältigt werden können.
Hört sich nach mangelnder Kontrolle und unklaren Verantwortlichkeiten als Ursache an. Ist das vielleicht sogar das Ergebnis der so gepriesenen agilen Arbeitsweise mit ihrer Idee der Abschaffung von klaren Hierarchien?
Im Gegenteil! Agile Organisationsmodelle, in denen kleine Gruppen auf Augenhöhe arbeiten, sind sogar eine hervorragende Sicherung gegen Fehlleistungen einzelner Entscheider. Und ich bin froh, dass in vielen Unternehmen inzwischen erkannt wird, welche Vorteile das agile Arbeiten hat – insbesondere an der Schnittstelle zwischen Marketing und Unternehmenskommunikation. Wir bei Nunatak haben solche agilen Organisationsmodelle bei vielen Kunden erfolgreich eingeführt. So haben wir beispielsweise bei einem großen deutschen Lebensmitteleinzelhändler ein agiles MarCom-Organisationsmodell entwickelt und international implementiert, dabei wurden auch die Bereiche Marketing und Kommunikation zusammengelegt. Diese agile Organisation hat in der Corona-Krise dafür gesorgt, dass schneller, verlässlicher und einheitlicher kommuniziert werden konnte. Ohne diese neuen Strukturen wäre das deutlich schwieriger gewesen.