06.08.2020

Das Homeoffice hat sich in der Corona-Krise zum Megatrend der Arbeitswelt entwickelt. Es scheint, dass das früher zu unrecht mit Faulenzerei und frühem Feierabend assoziierte Homeoffice zum New Normal wird. So hat der Siemens-Vorstand beschlossen, dass es im Konzern globaler Standard wird, künftig an zwei bis drei Tagen pro Woche nicht mehr ins Büro zu kommen. Und bei Google bleiben alle bis auf Weiteres daheim.

Doch wie verträgt sich das mit dem anderen vorherrschenden Trend in der Arbeitswelt, dem Umstieg auf agiles Arbeiten? Schließlich ist diese moderne Methode eng verbunden mit intensiver Kollaboration in Kleingruppen und engem, regelmäßigem kreativem Austausch. Nunataks Consultant Anna-Maria Lange und Project Manager Jan-Henning Jestädt sprechen im Interview über die neuen Herausforderungen und Chancen.

Leidet die Agilität nicht unter dem Fehlen direkter, persönlicher Kommunikation?

Anna-Maria Lange: Auf den ersten Blick könnte man das vermuten. Schließlich ist agiles Arbeiten ein Prozess, der sehr auf direkten Austausch und Zusammenarbeit setzt. Das klingt nach einem Widerspruch zum einsamen Homeoffice am Computer. Aber die Faktoren Selbstverantwortung und Selbstorganisation gehören ja auch zu den Grundprinzipien von Agilität. Und das ist jetzt gefragt. Also ist das Homeoffice Chance und Herausforderung zugleich.

Jan-Henning Jestädt: Unternehmen, die bereits viel nach agilen Prinzipien und Methoden zusammengearbeitet haben, hatten mit dieser Anpassung an das New Normal keine großen Probleme. Aber die meisten Unternehmen kommen ja aus einer eher hierarchischen Arbeitsorganisation. Die hatten vorher noch keine agilen Arbeitsweisen implementiert. Das heißt, die neue Realität von größeren Freiheiten, weniger direkter Kontrolle und dennoch hoher Produktivität im Homeoffice ist für traditionelle Unternehmen oft ein überraschend positives Erlebnis. Nun darf man Homeoffice natürlich nicht mit Agilität gleichsetzen, aber es kann helfen, den Weg zu bereiten.

Welche Veränderungen in der Organisation der Teams sind nötig, wenn diese agil und virtuell arbeiten sollen?

Jan-Henning Jestädt: Die Umstellung von Unternehmen auf agiles Arbeiten ist immer eine behutsame Annäherung, ein Lernprozess und auch nicht immer sinnvoll. Jeder Unternehmensbereich muss für sich selber herausfinden, welche Elemente und Methodiken passen. Meist beginnt das mit dem sehr verbreiteten Kanban-Board und einer veränderten Organisationsgröße, weg von getrennten Riesenabteilungen hin zu Zusammenarbeit über bisherige Silogrenzen hinweg. Die schrittweise Annäherung ermöglicht es allen im Team, sich mit der neuen Arbeitsweise vertraut zu machen, ohne durch 20 neue Regeln und Arbeitsprozesse abgeschreckt zu werden. Entsprechende Tools für den Einstieg stehen natürlich auch im Homeoffice über entsprechende Kommunikations-Apps, virtuelle Whiteboards und Kollaborationsplattformen zur Verfügung.  

Anna-Maria Lange: Der Boom beim Homeoffice macht es uns tatsächlich leichter. Wir müssen nicht mehr so viel Überzeugungsarbeit leisten, wenn es um die Grundlagen und die Denkweise geht, die für agiles Arbeiten nötig sind. Das Vertrauen in die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter – auch ohne stete Kontrollzwänge – ist gewachsen.

Dennoch gibt es sicher besondere Herausforderungen, wenn man Kreativität virtuell organisieren will?

Jan-Henning Jestädt: Tools wie MS Teams, Zoom oder viele andere gehören durch Corona heute zum Standard in jedem Unternehmen. Diese Entwicklung kann man auch anhand der Entscheiderbefragung in unserer neuen Studie #NextLevelDigital zu Digitalisierungsinitiativen vor, während und – perspektivisch – nach Corona nachvollziehen. Richtig moderiert und gepaart mit virtuellen Whiteboards oder anderes Hilfsmitteln, kann auch dort eine Menge an kreativer Kraft und Dynamik entstehen.

Anna-Maria Lange: Das stimmt, solche virtuellen Meetings können viel an tatsächlicher Präsenz ersetzen. Aber, auch das gehört zur Wahrheit: Die Energie ist schon eine andere, wenn man sich gemeinsam im selben Raum befindet und sich direkt in die Augen schauen kann. Leider ist die Corona-Realität derzeit nun mal anders.

Jan-Henning Jestädt: Richtig, die Körpersprache, die Mimik sind wichtige Kommunikationssignale, die bei Video-Konferenzen mit mehr als drei Leuten häufig wegen der Unübersichtlichkeit der kleinen Bildschirme untergehen. Es ist aber auch nicht so, dass künftig alle nur noch im Homeoffice bleiben werden. Es kann genauso gut zwei Tage pro Woche geben, an denen alle gemeinsam im Unternehmen sind und man direkt kommunizieren kann – unter den Regeln, die Corona uns weiter auferlegt. Und zugleich bleibt die Freiheit, an den anderen Tagen zuhause zu arbeiten, wann ich es will – und sei es nachts um 2:00 Uhr. Asynchrones Dokumentieren von Ergebnissen ist agiles Arbeiten pur.

Anna-Maria Lange: Das genießen viele an der neuen Situation: Sie können sich zurückziehen und selbstbestimmt voll konzentriert ihre Arbeit machen, wenn die Aufgaben das erfordern.

Wie ist denn das Feedback Eurer Kunden? Wie funktioniert bei denen die Agilität unter den aktuellen Rahmenbedingungen?

Jan-Henning Jestädt: Ein aktuelles Kundenprojekt ist hier ein super Beispiel. In den Monaten vor Corona haben wir hier in einer gesunden Mischung aus enger Zusammenarbeit vor Ort und virtueller Kollaboration das Projekt in agiler Arbeitsweise vorangetrieben. So war es dann nur konsequent, im Zuge der Umstellung auf Homeoffice das Projekt vollständig virtuell fortzuführen. Und die Erfahrungen sind durchweg positiv: Das gesamte Team genießt die gewonnenen Freiheiten und die Flexibilität und beobachtet gleichzeitig keinerlei Einschränkungen in den Arbeitsergebnissen. Dass Pendeln und Staus im Berufsverkehr plötzlich weggefallen sind, tat sicher sein Übriges. Wir sehen hier bereits jetzt, dass diese neue Form der sowohl physischen als auch virtuellen Zusammenarbeit sich nachhaltig etabliert hat und etablieren wird.

Anna-Maria Lange: Genau das gleiche erlebe ich bei den Kursen unserer Nunatak Academy, wo wir – normalerweise in Präsenzseminaren – Führungskräfte und Mitarbeiter auf den digitalen Wandel vorbereiten. Wir haben unsere Kurse während des Lockdowns sehr schnell auf virtuelle Angebote umgestellt. Und auch hier ist das Feedback der Teilnehmenden: Wir wollen das so beibehalten – und die Unternehmen freuen sich auch noch über die Einsparungen bei Reisekosten.

 

Header Image: iStock/HAKINMHAN

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