Überblicksartikel und Hintergründe gibt es viele zu Corona. Speziell solche, die präventive Handlungsempfehlungen und Social Distancing Tipps für Privatpersonen thematisieren. In der schier endlosen Flut von Corona-News und Beiträgen bleibt jedoch die unternehmerische Perspektive oft zurück. Darum stellen wir uns die Frage: Welche Sorgen und Nöte treiben derzeit Unternehmen um, die in Zeiten von Home Office-Pflicht und sinkender Auftragslage mit diesen und weiteren Folgen von Covid-19 zu kämpfen haben? Das, und worauf es jetzt besonders ankommt, erklärt unser Co-Founder und Managing Partner Robert Jacobi auf Basis der Gespräche mit Kunden, die er in den vergangenen Wochen geführt hat.
Robert, welche Sorgen und Anliegen tragen Kunden aktuell mit Blick auf die Corona-Pandemie an Euch heran?
Robert Jacobi: Obwohl unsere Projekte grundsätzlich normal weiterlaufen, merken wir natürlich, dass die aktuelle Situation in nahezu jedem Gespräch ein Thema ist. Einige Banken etwa haben einen Teil ihrer Filialen geschlossen, aber möchten natürlich trotzdem in engem Kontakt mit ihren Kunden bleiben. An uns wird dann die Frage gerichtet, wie es möglich ist, die Servicequalität in der Filiale auch im digitalen Austausch zu reproduzieren.
Welche Ratschläge kann man derzeit jedem Unternehmen mitgeben, wenn es darum geht, die eigene Situation zu stabilisieren?
Grundsätzlich ist es wichtig, nicht in Panik zu geraten und zu prüfen, ob alle Prozesse und Strukturen der Situation gewachsen sind. Damit meine ich, dass die einzelnen Teams und Abteilungen sehr schnell in einen pragmatischen Arbeitsmodus kommen müssen: Wer arbeitet woran, von welchem Ort aus und welche Kommunikationswege und Tools nutzt man? Unternehmen sollten außerdem ihre technische Infrastruktur testen und sicherstellen, dass sie ausreichend leistungsfähig und belastbar ist.
Zwei weitere Impulse: Jede Firma sollte auf die Kostenseite schauen und die Liquidität nicht aus dem Blick verlieren. Das ist den meisten bewusst und auch die primäre Sorge. Weniger bewusst ist vielen, wie wichtig es ist, auch die Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern in Zeiten wie diesen aufrecht zu erhalten.
Worauf sollten Unternehmen hier besonders achten?
Sie sollten in Zeiten von Social Distancing zumindest digitale Nähe beweisen. Nach innen zum Beispiel stellt sich die Frage, wie ich Mitarbeitern am besten vermitteln kann, dass sich die Prioritäten in der Kundenansprache verschieben müssen. Nach außen ist ein Check der Marketing- und Kommunikationskanäle wichtig – denn gerade in Krisenzeiten gibt es einen verstärkten Informationsbedarf. Hier sollte man jetzt einmal selbstkritisch hinterfragen, was bereits gut funktioniert und was noch nicht. Eventuell lassen sich auch Quick Fixes vornehmen, die ohnehin längst überfällig waren.
Genauso kritisch sollte man sich die Angebote angucken, die man digital anbieten kann – denn das Filial- oder Ladengeschäft ist ja vielfach eingestellt. Die zentrale Frage lautet letztlich: „Wie kann ich mein Produkt oder meinen Service so gestalten, dass er auch in der aktuellen Lage für meine Kunden relevant ist und Mehrwert stiftet?“
Kannst du hier konkrete Beispiele nennen?
Bei einer Bank kann das ein Sofortkredit sein. Bei einem Medienhaus ein Sonderformat, das alle wichtigen Infos zur Entwicklung der Corona-Krise crossmedial bereitstellt. Jetzt ist entscheidend, dass Unternehmen als Helfer auftreten und sichtbar sind, statt sich zurückzuziehen. Die großen deutschen Lebensmittelhändler gehen hier mit gutem Beispiel voran: Erst vergangene Woche haben Aldi, Edeka, Lidl und Co. in einer gemeinsamen Mitteilung versichert, dass die Versorgung in den Supermärkten weiterhin gewährleistet ist.
Manche Unternehmen scheinen die Krise leichter abzufangen als andere. Was haben diese den anderen voraus?
Es ist noch zu früh, um zu sagen, wer gut oder schlecht durch die Situation kommen wird. Dafür ist sie noch zu frisch und ändert sich zudem jeden Tag. Momentan befinden wir uns in einer Phase, in der externe Faktoren die Entwicklung bestimmen und man einfach auf Sicht fahren muss. Tendenziell lässt sich aber schon erkennen, dass diejenigen, die früh klar und eindeutig kommuniziert und die Digitalisierung ihrer Prozesse vorangetrieben haben, jetzt einen Vorteil gegenüber jenen haben, die der Entwicklung „hinterherlaufen“.
Ich bin froh, dass viele unserer Kunden in der Vergangenheit so klug und offen waren, die richtigen Innovationen anzugehen, etwa im Hinblick auf ein leistungsfähiges Set an digitalen Tools. Natürlich kommt es aber auch darauf an, zu welcher Branche ich gehöre.
Ginge das etwas konkreter?
Ich kann die beste Mobile-Anwendung zur Buchung von Luxusreisen haben. Wenn niemand reisen möchte oder darf, bringt mir auch die beste UX nichts…
Es heißt ja, dass man aus Krisenzeiten gestärkt hervorgeht. Wie müssen sich Unternehmen aufstellen, damit das für sie in der aktuellen Phase zutrifft?
Wir erleben gerade eine Situation, in der sich jeder auf das Wesentliche besinnt: Auf den Kern und Zweck seiner Wirtschaftstätigkeit – und daraus ableitet, welche Schwerpunkte er künftig setzen will. Manche Prozesse lassen sich jetzt beschleunigt umsetzen – insofern könnte Corona auch als Katalysator wirken. Ganz wichtig ist das bei der weiteren Ausgestaltung der Digitalisierung.
Inwiefern?
Jeder analoge Prozess muss sich in Zukunft ad hoc digital umsetzen lassen – das ist eine der Lehren aus Corona, die heute schon offenkundig ist. Wir dürfen daher nicht aufhören, Innovationsprozesse weiter zu denken, nur weil es gerade darum geht, den Bestand zu sichern. Das wäre kurzsichtig, weil es eine Zeit nach der Krise geben wird. Wer sich jetzt weiterentwickelt, wird einen großen Startvorteil haben, sobald wieder Normalität herrscht.
Foto von Markus Spiske